Viele können sich unter dem Begriff Schnitttechnik wenig vorstellen. Die meisten vermuten ein Gewerbe der Film- oder Musikbranche.
Kleider sind Hüllen, die chic aussehen und in verschiedenen Grössen erhältlich sein sollen. Dazu kommen funktionale, oekonomische und heute vermehrt auch oekologische Aspekte. Die Schnitttechnik kümmert sich um den Plan, der vorgibt, wie Material zuzuschneiden ist, sodass ein Kleidungstück nach den gewünschten Vorgaben erstellt werden kann.
Eine Schnittentwicklung beginnt mit einer Illustration, einer anderen Bildvorlage oder einer Besprechung. Es ist wichtig, dass der Look eines Kleidungstückes so gut wie möglich definiert wird. Zusätzlich wird eine Körpermasstabelle benötigt. Sie bestimmt die Grössen der Zielgruppe. Je besser ein Modell schon am Anfang definiert ist, umso treffender kann eine Schnittentwicklung ausgeführt werden.
Der Schnitt oder die Daten zur Umsetzung des Designs können in mehreren Formen dargestellt werden. Es gilt die passende Variante entsprechend den Anforderungen zu ermitteln. So können Nähereien fertige Schnittlagebilder bevorzugen. Falls sie jedoch über eine angegliederte Schnittabteilung verfügen, ziehen sie es vielleicht vor, Grundschnitte selber zur Produktionsreife zu führen. Eine gute technische Dokumentation sollte so kurz wie möglich gehalten werden und dennoch ein Maximum an Kontrolle über das endgültige Produkt garantieren.
Anschliessend wird auf einige Formen, welche sich zur Darstellung von schnitttechnischen Daten eignen, näher eingegangen. Meist macht eine Kombination von mehreren Formen Sinn.
Illustration
Eine gute Illustration ist ein Fantombild des Kleidungsstücks, das kreiert werden soll und vereint alle Ideen, welche es ausmachen: Look, Details und auch Farben. Je ansprechender eine Illustration gemacht ist, je mehr Emotionen sie auslöst, umso besser sind die Voraussetungen für eine treffende Umsetzung. Weiteres Bildmaterial wie Fotografien oder Stimmungsbilder können die Aussage einer Illustration unterstützen, jedoch nie erstetzen.
Körpermasstabelle
Die Körpermasstabelle definiert die Grössen der Personen, für welche ein Kleidungsstück oder eine Kollektion hergetsellt wird. Die Werte entsprechen den glatt gemessenen Körpermassen und enthalten keine technischen oder modischen Zugaben. Für die Erstellung eines Grund- oder Erstschnittes ist die Körpermasstabelle eine unverzichtbare Voraussetzung.
Diagramm
Unter Diagramm versteht man eine zentrierte Zusammenstellung aller Grössen eines Schnittteils. Solche Stapel- oder Nestzeichnungen waren vor der Einführung des Computers die gängige Art für die Übermittlung von Schnittmustern an die Produktionsstätten. Dabei wird jede Grösse aus dem Diagramm auf Karton kopiert und ausgeschnitten. Mit der erhaltenen Kartonschablone werden die Schnittlagebilder für den Zuschnitt direkt auf den Stoff oder auf Heisssiegelpapier gezeichnet.
Flachzeichnung
Auch heute können Diagramme eine wichtige Rolle spielen. So kann es vorkommen, dass ein Auftraggeber über einen erpobten Grundschnitt in mehreren Grössen verfügt und daraus die Ableitung von verschiedenen Modellen plant. Für eine Produktionsstätte mit einer internen Schnittabteilung reicht als Auftragsdokumentation ein Diagramm der Basisteile in mindestens zwei Grössen, sowie die Flachzeichnungen und Fertigmasstabellen der zu erstellenden Modelle. Diese Vorgehensweise vereinbart Wertschöpfung und Einfachheit. Der Auftraggeber delegiert den Grossteil der Arbeit an den Produktionsbetrieb und behält dennoch eine grosse Kontrolle über die Umsetzung seiner Ideen. Der Produktionsbetrieb wiederum gewinnt Zeit durch die Freiheit, die Verarbeitung so zu gestalten, dass sie genau zum vorhandenen Maschinenpark passt. Die Anzahl Musterstücke, welche für die Entwicklung von neuen Modellen nötig sind, kann so bei einem gut eingespielten verringert werden.
Gradierwerte
Ein Gradierwert setzt sich aus einer Richtung und einem Wert in Millimeter zusammen. Er definiert den Abstand zwischen zwei aufeinander folgenden Grössen. Zur Berechnung von Gradierwerten wird eine Körpermasstabelle sowie je nach Auftrag eine Fertigmasstabelle des Modells vorausgesetzt. Gradierwerte sind die kompakteste und unabhängigste Art, ein Grössenspektrum zu definieren. Sind sie einmal für die verschiedenen Kleidertypen berechnet, können sie für Folgeprodukte übernommen werden und grarantieren eine stetige Kontinuität der Grössen. Eine Basisgrösse, welche als Daten oder als gedruckte Schablone vorliegt, kombiniert mit den entsprechenden Gradierwerten, bildet eine Einheit, welche ein hohes Mass an Kontrolle und Effizienz garantiert.
Schnittlagebilder
Für die Produktion sind Schnittlagebilder unumgänglich. Sie dienen dazu, die Schnittteile mit möglichst wenig Materialverlust auf einer gegebenen Materialbreite anzuordnen. Design und Schnitt haben einen direkten Einfluss auf die erziehlte Effizienz. Es sollte einem stets bewusst sein, dass eine Ausnutzung von beispielsweise 65% bei 100m Material zu 35m Abfall führt.
Es wird zwischen offenen und halben Schnittlagebildern unterschieden. Bei halben Schnittlagebildern wird das Modell symmetrisch zugeschnitten. Auf diese Weise kann Zeit gespart werden, jedoch ist der Materialverbrauch leicht höher. Grössen können verzahnt gelegt werden. Das heisst, eine kleine Grösse wird um 180° gedreht zusammen mit einer grossen Grösse gelegt. Dies führt in der Regel zu einem bedeutend besseren Materialverbrauch. Da ein verzahntes Bild in jedem Fall länger ist, muss abgeklärt werden, ob der Produktionsbetrieb über einen genug langen Tisch verfügt.
Schnittlagebilder werden entweder mit Kartonschablonen direkt auf die oberste Stoffbahn markiert, oder sie werden zuerst auf ein Heisssiegelpapier aufgezeichnet, welches auf die oberste Stofflage aufgebügelt wird. Grossbetriebe wiederum sind in der Lage, Schnittlagebilder als CAD Daten direkt an einen Cutter zu senden, womit der Umweg über einen Ausdruck auf Heisssiegelpapier entfällt.
Kommt es zum Versand, können Schnittlagebilder ausgedruckt auf Heisssiegelpapier oder als Daten versendet werden. Als Datenformat eignet sich das HPGL Format (Hewlett Packard Graphic Language), da dieses Format von den gängigen Plottern eingelesen werden kann. Falls der Produktionsbetrieb über einen Cutter verügt, müssen die Daten in einem Format übermittelt werden, welches von der CAD Software des Produktionsbetriebes gelesen werden kann. Um einen Cutter anzusteuern wird ein spezielles Format benötigt, da hier zusätzlich zwischen geschnittenen und gedruckten Linien unterschieden wird.
Die Vorteile beim Verwenden von Schnittlagebildern liegt in der Kontrolle des Stoffverbrauchs, da dieser zum Voraus feststeht. Als Nachteil erscheint die Tatsache, dass die Materialnutzbreite festgelegt ist.
Fertigmasstabelle
Eine Fertigmasstabelle definiert die Dimensionen des konfektionierten Kleidungsstückes. Die aufgeführten Masse beinhalten modische und technische Zugaben. Generell ist eine Fertigmasstabelle mit einer Flachzeichnung zu kombinieren, auf welcher für jedes Fertigmass eine Strecke eingezeichnet ist. Die Kombination von Flachzeichnung und Fertigmasstabelle ist als Kontrolleinheit zu verstehen. Sie gibt einem Betrieb jene Dimensionen vor, welche bei der Übergabe der konfektionierten Teile kontrolliert werden. Als Designvorgabe eignet sich diese Kombination nur bedingt, da es schwierig ist, mit einer Flachzeichnung den Look eines Kleidungsstückes zu definieren. Oftmals führen gewisse Massvorgaben, welche vom Auftraggeber bestimmt werden, zu einer Verfälschung der ursprünglichen Idee.